Nach neun Stunden der Lohn für sechs schwere Disziplinen: Bei den Deutschen Meisterschaften im Jahn-Sechskampf sprang Sara Karies (DTG) auf das Silber-Treppchen und feierte einen triumphalen Erfolg. Die Freude über den Vize-Titel wurde nur geringfügig dadurch getrübt, dass die Goldmedaille erreichbar gewesen wäre, wenn Sara nicht – stressbedingt durch Probleme mit der Einturnzeit – einen Patzer in der Bodenübung beim Gerätturnen hätte verbuchen müssen. Aber hätte, hätte, … - am Ende war die Freude doch groß!
Jahn-Sechskampf, was ist das eigentlich? Der traditionsreiche Mehrkampf besteht aus den Disziplinen Turnen (Barren und Boden), Leichtathletik (Kugelstoßen und 100m Sprint) und Wassersport (100m Schwimmen und Kunstspringen vom 1-Meterbrett). Zugelassen zu den Deutschen Meisterschaften in dem nach Turnvater Jahn benannten Wettkampf sind nur Sportlerinnen, die in ihrem Landesverband eine hoch angesetzte Mindestpunktzahl erreichen. Im pittoresken Eutin (Schleswig-Holstein) fanden die nationalen Titelkämpfe statt.
Sara begann den Wettkampf in den leichtathletischen Disziplinen. Obwohl nicht optimal vorbereitet, rannte sie die 100m in 13,7 Sekunden und schaffte beim Kugelstoßen gar eine neue persönliche Bestleistung von 12,15 Metern. Erst zwei Stunden später begannen die Turndisziplinen. Den Barren hatte Sara mit einer sehr stabilen Übung gut im Griff und konnte 12,45 Punkte verbuchen. Die Bodenübung gelang nicht ganz so gut. Es folgte eine lange Wettkampfpause, bevor Sara gegen inzwischen 21:00 Uhr den Wertungsrichtern einen gelungenen Delphin-Kopfsprung und einen eineinhalb Salto vorwärts vom Ein-Meter-Brett zeigen durfte. Anschließend stieg sie noch für die 100 Meter Freistil ins Becken und kraulte, was das Zeug hielt.
Trotz der zermürbenden Stunden bis zur Siegerehrung gegen 23:00 Uhr stieg die Spannung bei der Verkündung der Sieger ins Unermessliche: Deutsche Vizemeisterin im Jahn-Sechskampf, was für ein Erfolg!
Den Blick immer nach vorn gerichtet betont Trainer Mike Graff: „ Die Vorbereitung auf das Wasserspringen ist am schwierigsten. Die notwendige Art von Sprungbrett bietet nur ein Schwimmbad in Dortmund, und dort ist das Training aufgrund des regulären Schwimmbetriebs kaum möglich. Schade für das Wasserspringen! Diese sehr attraktive Disziplin muss man in Dortmund wohl als ausgestorben betrachten ….“.
Trotz der Freude über den glamourösen Aufstieg der Turnerinnen in die erste Kunstturn-Bundesliga zieht die KTV Dortmund ihre Mannschaft zurück. „Ohne Theresa Geyer, die in dieser Saison für Chemnitz starten wird, und ohne die Chemnitzer Unterstützung hätte ein Start auf sehr wackeligen Füßen gestanden. Kira Budde will ein bisschen kürzer treten, und der Nachwuchs ist einfach noch nicht so weit“, erklärt Cheftrainerin Jutta Horn die Beweggründe für den Rückzug. „Ganz zu schweigen von den finanziellen Gesichtspunkten; auch da hätte es ja einiges zu stemmen gegeben“, weiß die Trainerin auch um die ökonomischen Herausforderungen eines Erstliga-Starts.
Um auch den Nachwuchs sinnvoll einzubinden, erschien daher ein Neu-Anfang in der Oberliga der geratenere Weg für die Kunstturnvereinigung Dortmund. Und der war am Samstag von Erfolg gepflastert. Beim Saison-Auftakt am vergangenen Samstag legte Joke Bingmann mit einer unerschütterlichen Vorstellung am Schwebebalken vor: Salto rückwärts, furiose Sprünge und schwierige Drehungen reihten sich tadellos aneinander. Cara Bierwirth bedankte sich dafür am Boden mit einer an Dynamik und Ausdruck hinreißenden Bodenübung. Am Sprung spielten Alice Martin und Kira Budde ihre ganze Stärke aus, bevor am Barren Nele Bredebusch mit glänzenden Handständen und einem gelungenen Unterschwung-Salto imponierte.
Auch das Landesliga-Team mit Mara Steinborn, Julie Albers, Sophia Dvorska, Lavinia Jäger und Mia Höcke war nicht zu schlagen. Überragende Akteurin unter den acht Mannschaften war hier Mara Steinborn, die an drei Geräten und im Vierkampf zur Topscorerin avancierte. In ihrem Fahrwasser etablierten sich Julie Albers mit einer attraktiven Kür am Boden und Mia Höcke mit einem tollen Tsukahara am Sprung.
Die Hörder Vertretung erreichte mit Svenja Kalthoff, Jasmin Gehrmann, Eileen Schäfer, Carlotta Grupe, Sarah Guss und Rike Neuhoff Rang fünf.
Beim Landes-Cup des Westfälischen Turnerbunds gelang es Sofia Dvorska mit einem hervorragenden dritten Platz, sich überregional zu empfehlen. Insbesondere am Balken beeindruckte sie mit einer Vielzahl an verschiedenen, allesamt sehr schwierigen Drehsprüngen, die ihr zurecht eine hohe Note (13.00 Pkt.) einbrachten. Ob sie auf Rang drei die Chance hat, sich als Nachrückerin für den DTB-Cup zu qualifizieren, bleibt für die Sechzehnjährige momentan noch offen.
Clubkameradin Alice Martin, die am Sprung mit einem hohen Tsukahara ambitioniert in den Wettkampf startete, hatte am Balken etwas Pech und fiel dadurch auf Rang 6 zurück. Schön anzusehen waren ihre Schrauben am Boden. Lavinia Jäger erreichte Platz 13. In der Damenriege zeigte Jana Keßler (11. Platz) erstmals Riesenfelgen am Barren und stellte damit sich und Trainerin Lisa Engels zufrieden.
Bereits am Vortag waren Amelie Freising, Leonie und Emily Schroer sowie Lorena Stocker im etwas leichteren Wettkampf LK 2 gestartet. Dabei gelang Amelie in der Jugendklasse ein eindrucksvoller Überraschungssieg dank einer gelungenen Barrenübung, die von der Konkurrenz nicht zu toppen war, und einer furiosen Bodenübung. Auch Leonie Schroer (9. Platz) zeigte - ebenso wie Schwester Emily (16. Platz) und Lorena Stocker (25. Platz) ihre beste Leistung am Boden.
Mit einem tollen Bronzeplatz kehrten die Turnerinnen Dana Coerdt, Sarah Thomas, Friederike Sassenberg, Enja Sandt und Carolina Stein vom Landesfinale in Köln zurück. Erstmals startete das Team, das für das kooperierende Goethe-Gymnasium an den Start ging, in der Wettkampfklasse III. Hier müssen bereits Übungen mit individueller Choreographie geturnt werden. Dabei zählt auch der Schwierigkeitsgrad der Übung. Trainerin und Sportlehrerin Stefanie Liening hatte die Mädchen intensiv vorbereitet und sie lohnten es ihr mit wunderbaren Darbietungen.
"Mega cool!", freut sich Stefanie Liening über das Entwicklungspotential der Goethe-Schützlinge. "Fritzis Bodenübung war einfach Zucker und Sarah hat den besten Sprung ihres Lebens gezeigt!". Caro imponierte sogar mit einem Handstand am Stufenbarren und rockte die Halle mit ihrer peppigen Bodenübung. Enja bezwang indes den 10cm schmalen Schwebebalken mit Bravur, beeindruckte mit dynamischen Schwüngen am Barren und war auch an den anderen Geräten eine sichere Bank. Den Rückhalt in der Mannschaft bot Dana Coerdt, die - obwohl erst kürzlich von ihrem Auslandsaufenthalt in den USA zurück - menschlich wie sportlich für die notwendige Sicherheit und Ruhe im Team sorgte und ganz nebenbei noch die glanzvollste Darbietung auf die Fläche zauberte (13,95 P.- Tageshöchstnote). Am Ende des Tages waren sich alle einig: Nächstes Jahr greifen wir wieder an. Dann nehmen wir den Meistertitel und die Fahrkarte zum Bundesfinale in Berlin ins Visier.
Bronze holten auch die KTV Turnerinnen in der Wettkampfklasse II für das Immanuel-Kant-Gymnasium (IKG) hinter der Crew aus Borken und dem amtierenden Bundes-Vizemeister St.-Michael-Gymnasium aus Monschau. Hier sorgte Ronja Bredebusch am Barren for ein Highlight. Topscorerin des IKG-Teams war Nele Bredebusch. Es turnten neben den beiden Bredebusch-Schwestern Emily Schroer, Sophie Schönborn und Charlotte Strohbach.
Insgesamt zeigte sich ein imposantes Niveau bei diesem Landesfinale der Schulen im Wettkampf "Jugend trainiert für Olympia". An neuer Wirkungsstätte Köln-Rodenkirchen hatte der RTB für gute Bedingungen und hohe Kampfrichterkompetenz gesorgt. Auch wenn hier technische Brillanz vor gewagten Schwierigkeiten rangiert, sahen die Zuschauer nicht nur einen Salto auf dem Schwebebalken, einige Tsukahara am Sprung, sondern auch Handstand und Riesenfelgen am Barren sowie Schrauben am Boden. Ganz zu Schweigen von gymnastisch hochwertigen Elementen. Die KTV-Akteurinnen erwiesen sich in beiden Wettkämpfen als ernst zunehmende und faire Gegner und zeigten von der Qualität des Turnens in Dortmund.